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Sendezentrale Matthäus-Kirche

Gottesdienste aus Wallinghausen werden live im Internet übertragen – und die Gemeinde hat mit ihrer modernen Technik noch wesentlich mehr vor

Ostfriesische Nachrichten (ON),  20.7.2020, Seite 5

Von Jan-Michael Heimann

Aurich. Wenn schon, denn schon: Das sagten sich Pastorin Silke Kampen und einige Mitstreiter, als es um die technische Aufrüstung der evangelisch-lutherischen Kirche in Wallinghausen ging. Und sie ließen ihren Worten Taten folgen: Das Gotteshaus in Wallinghausen ist zu einem kleinen TV-Studio geworden. Theoretisch können die Gottesdienste aus dem Dorf nun auf der ganzen Welt verfolgt werden. Anfangs hatte die Pastorin noch ein mulmiges Gefühl bei dem Gedanken daran, dass ihre Predigten live im Internet übertragen werden. Mittlerweile ist sie es aber gewohnt. Die evangelisch-lutherische Matthäus-Gemeinde Egels-Popens-Wallinghausen ist sozusagen ein Vorreiter, wenn es um moderne Kirchenarbeit geht. „Wir haben noch nicht das Niveau von Fernsehgottesdiensten, aber wir sind nah dran“, sagt Pastorin Kampen schmunzelnd.

Technischer Direktor, wenn man es so nennen mag, ist Jörg Salkowski. Der Kirchenvorsteher aus Wallinghausen studierte Elektrotechnik, seine Kenntnisse kann er nun für seine Gemeinde einsetzen. Vier Kameras, ein Produktionsmischer und diverse Laptops und Monitore können in etwa 90 Minuten für die Übertragungen aufgebaut werden. Dabei wird er tatkräftig unterstützt. Meist an seiner Seite: Diakon Helmut Hosemann und die jungen Gemeindemitglieder Jana Wegner und Hanno Hosemann. Wegner ist sozusagen frisch konfirmiert, Hanno Hosemann wartet auf seine Konfirmation noch, die wurde nämlich wegen der Corona-Pandemie verlegt.

Doch wie kam es überhaupt dazu, dass sich in Wallinghausen ein kleines TV-Team zusammenschloss? Die Corona-Pandemie war ein Beschleuniger, aber nicht der Grundstein, sagt Silke Kampen. Während einiger Gottesdienste im Frühjahr gab es immer mal wieder Probleme mit der Tontechnik. Ein Wackelkontakt – jeder weiß, wie ärgerlich und nervig das ist. Deshalb musste umgerüstet werden. „Wir haben uns dann gesagt: klotzen, nicht kleckern“, so Kampen. In großer Runde wurden Ideen diskutiert. „Wir dachten uns: Was könnte man nicht alles machen“, so Kampen. Vor allem für die Radio-Gottesdienste wollte man bestens aufgestellt sein. Guter Sound sei schließlich ein Wohlfühlfaktor.

Dann kam der 13. März. Von heute auf morgen machte die Corona-Pandemie Gottesdienste für Wochen unmöglich – zumindest mit Besuchern. „Wir standen da wie begossene Pudel“, so die Pastorin. Das TV-Team begann, noch größer zu denken. „Die einzelnen Begabungen unserer Leute kamen zum Tragen“, sagt Kampen. Die „Crew“, wie sie sagt, entwickelte ein Konzept – und ging auf Sendung. Zunächst liefen Predigt und Vaterunser aber nicht live im Internet. Am Sonntag Palmarum, der Sonntag vor Ostern, zeichnete die Gemeinde erstmals einen Gottesdienst auf, um ihn anschließend auf Youtube zu veröffentlichen. Viel Arbeit für Jörg Salkowski: „Ich habe fast eine Woche am Schnitt gearbeitet“, so der Kirchenvorsteher. Um sich den aufwendigen Schnitt zu sparen, entschied man sich dann, einfach live zu übertragen.

Dass die Austrittswelle aus der Kirche damit gebrochen wird, glaubt Pastorin Kampen nicht. Aber man schafft einen neuen Berührungspunkt. Es gibt ein „Heimatgefühl“. Nicht nur Exil-Wallinghausener können von überall die Gottesdienste aus ihrer Gemeinde sehen. Für junge Menschen wird die Kirche durch moderne Technik offenbar attraktiver. Jana Wegner und Hanno Hosemann macht es Spaß, an dem Projekt mitzuarbeiten. „Und wenn man sonntags ausschlafen möchte, kann man den Gottesdienst einfach abends ansehen“, so Hanno Hosemann. Aber bei den Übertragungen von Gottesdiensten allein soll es längst nicht bleiben. Die Gemeinde will Projekte mit Kameras begleiten. Das können zum Beispiel Dokumentationen über Jugendbildungsstätten sein, sagt Diakon Helmut Hosemann.

Im Gespräch entwickeln sich direkt neue Ideen. Man merkt, das TV-Team ist mit viel Engagement dabei. Mit dem TV-Studio hat die Gemeinde einen neuen Weg eingeschlagen. Unterstützung gab es auch vom Kirchenkreis Aurich. Nach einem Besuch der Kirche war Superintendent Tido Janssen beeindruckt. Die Wallinghausener könnten damit auch anderen Gemeinden des Kirchenkreises bei der Gestaltung ähnlicher Projekte helfen. Und in Wallinghausen direkt werden helfende Hände immer gebraucht, sagt Diakon Hosemann.

Kampen sagt zwar, dass die Liveübertragung einen „echten Gottesdienst“ nicht ersetzen kann. Aber die Kirche werde greifbarer – für alle Altersklassen. Menschen, die aufgrund gesundheitlicher Probleme nicht in die Kirche können, haben trotzdem Gelegenheit am Gottesdienst teilzunehmen. Genauso junge Leute, die vielleicht keine Lust haben, morgens in die Kirche zu gehen.

Mit den Klickzahlen sind die Macher bisher zufrieden. Etwa 4600 Gemeindemitglieder gibt es in Egels-Popens-Wallinghausen. Pro Übertragung schalteten etwa 35 Zuschauer ein. Ohne dass das Projekt vorher großartig beworben wurde. Die Tendenz ist steigend. Und auch aus anderen Gemeinden gibt es Zuschauer. Denn das Internet ist grenzenlos, jeder kann zusehen.

Das Team feilt immer weiter an der Qualität. Auch, wenn sich Pastorin Kampen am meisten darüber freut, ihre Gemeindemitglieder persönlich in der Kirche begrüßen zu können. Für die, die sich die Gottesdienste aber vom Sofa anschauen, heißt es sonntags dann: Film ab. Ob live oder erst am Abend, ist jedem selbst überlassen.